Geschichten für Leseratten
Nachdenkliche, Besinnliche und Traurige Geschichten IV
Der Betrug
Rettung an Sylvester
Verstoßen
Alleingelassen
Sie betreten unsere Welt
Der Betrug ^
„Man hat mich gesehen und kaufte mich prompt,
denn ich bin ein Hund, der vom Züchter kommt.
Und wird es nicht allenthalben empfohlen,
man soll gute Hunde beim Züchter holen?
Und alle Erwartungen trafen ein:
Ich bin hübsch, lieb und kann auch folgsam sein.“
„Mich hat man am Strand draußen aufgelesen,
da bin ich seit Monaten schon gewesen.
Man hat mich getreten, es gab nichts zu fressen,
dann stieß man mich weg und hat mich vergessen.
Bin alt nun und krank, mein Herz tut mir weh.
Hab’ nur gelernt, daß ich gar nichts versteh’.“
„Ich wurde in einer Tonne geboren,
meine Finder gaben mich schon verloren.
Meine rechtes Ohr hängt, das linke blieb stehen,
und auf einem Auge kann ich nicht sehen.
Ich liebe die Menschen und weiß nicht warum.
Sie finden mich häßlich, mickrig und dumm.“
„Ihr seht, ich bin hübsch und mein Fell ist glatt.
Man pflegte mich gut in der großen Stadt.
Sie haben mich sogar angezogen,
operiert und die Ohren hochgebogen.
Dann wurde ich an einen Baum gebunden,
dort hat mich nach Tagen jemand gefunden.“
Und du? Wer bist du? Hast noch nicht gesprochen.
Hast bis jetzt mit der Nase am Gitter gerochen.
Wenn sie kommen um einen auszusuchen
verschmähst du all’ ihre Hundekuchen.
Siehst niemanden an und willst dich nicht binden.
Möchtest du keine neue Familie finden?
Eine Pause tritt ein. Niemand sagt ein Wort.
Der Blick des Gefragten driftet weit fort.
Sein Kopf ist erhoben, die Schultern gestrafft,
der Körper ist mager und doch voller Kraft.
Dann dreht er sich um, sein Schwanz fächelt leicht
den Wind, der von Norden herüberstreicht.
Der Blick seiner blauen Huskyaugen
scheint sich am Fragenden festzusaugen.
„Versteht Ihr nicht“, flüstert er in den Wind,
„dass wir nur eine Laune der Menschen sind?
Sie wollen uns schaffen nach ihrem Gefallen
und wissen doch nicht wohin mit uns allen.
In dieser Sekunde sind wir schon verloren,
denn es werden tausend Welpen geboren.
Wir sind viel zu viele, das ist der Betrug,
denn Menschen bekommen niemals genug.
Sie wissen es alle, doch die endlose Flut
immer neuer Hunde gefällt ihnen gut.
Die endlosen Züge der Überschussfracht
sind im Tierheim ja wunderbar untergebracht.“
Sanft hebt er die Schnauze, setzt an zum Gesang.
Ein klagender Ton zieht die Gitter entlang.
Eine Türe schlägt zu, und dann schweigt er still,
weil das, was er weiß, niemand wissen will.
Er legt sich nieder, bettet ruhig sein Haupt.
Oh ja, es sind viele! Viel mehr, als man glaubt...
Rettung an Sylvester ^
Gestern Abend ging ich noch mal raus, kurz nach Mitternacht, um nachzusehen, ob auch alle Heizlampen in den Ziegen-, Hühner- und Putenhäusern arbeiten. Die Temperatur drohte auf Null oder sogar noch darunter abzufallen.
Alle Hunde waren längst schlafen gegangen und die Nacht war still. Beim Betreten der Veranda begrüßte mich die Sicht auf einen kristallklaren Himmel mit Scharen von Sternen. Meine Taschenlampe anknipsend machte ich mich auf den Weg zum Schuppen (wir weigern uns, uns eine dieser verdammten "Rund-um-die-Uhr" Monsterdinger anzuschaffen, die die Sterne vom Scheinen abhalten).
Am frühen Abend hatte ich ein bisschen Stroh gebracht, um den Tieren auf der Farm ein frisches Bett zu machen; dabei war mir draußen vor dem Gatter ein Bündel heruntergefallen, dass ich nicht mehr aufgehoben hatte. Während ich den Weg herunterlief, sah ich im Schnee ein paar blutige Pfotenabdrücke, die aus dem Wald herauskamen und in dem Strohbündel am Gatter endeten. Zusammengerollt auf den Strohhaufen lag ein Hund. Mittelgroß. Schwer auszumachen in der Dunkelheit, welche Art Hund; könnte alles mögliche gewesen sein.
Aber ganz sicher ein Hund dunkler Farbe. Ich legte meine Hand auf den Rücken und fühlte kalte Rippen. Ich zog meine Handschuhe aus und tastete hinter den Vorderlauf. Ein Herzschlag. Dann hörte ich einen schwachen Schlag.
Das Ende der Rute ging auf und ab, hinterlies kleine Abdrücke im Schnee, aber der Kopf bewegte sich nicht. Ich blickte in die tiefbraunen Augen, die zu sagen schienen "Bitte jage mich nicht weg., ich kann keinen Schritt mehr laufen". Die Läufe waren gebrochen und bluteten.
Ich sah, kontrollierte, ob die Heizlampen funktionierten und nahm den durchfrorenen Hund vorsichtig an mich. Kein Widerstand, nur das Klopfen der Rute. Nicht viel Gewicht für die Größe des Bündels. Ich machte mich auf den Weg zur Vordertür. Drinnen angekommen legte ich den Hund in der Tür ab. Keine Bewegung.
Während ich kontrollierte, ob alles noch schlief, machte ich mich auf die Suche nach einer Decke. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir die letzte Hundedecke bei unserer Rettungsaktion von neulich verwendet hatten. Im Schrank nichts, im Trockner nichts, auf der Couch nichts. Ich ging ins Schlafzimmer und zog vorsichtig die vom Bett herunter.
Auch wenn sie schon alt war und an den Rändern auszufransen begann, es war die letzte Verfügbare. Ich faltete sie und legte sie auf die Heizklappe, ganz nah beim Ofen. Dann nahm ich den Hund und legte ihn oben drauf.
Nach Mitternacht an Sylvester, in einer sehr ländlichen Gegend von Südwest-Missouri - keine Chance heute Abend noch einen Tierarzt aufzutreiben. Wir würden es morgen versuchen müssen.
Ich ging in die Küche, nahm eine Dose Hühnerbrühe aus der Gefriertruhe und warf sie in die Mikrowelle. Ich ging zurück ins Wohnzimmer und setzte die Schale nah an die Decke, in Reichweite der kalten Schnauze. Noch ein paar Schwanzklopfer war die einzige Bewegung. Ich langte hinunter und legte meine Hand unter das Kinn, vorsichtig den Kopf anhebend. Jetzt hier drin, konnte ich sehen, dass der Hund schwarz war, zumindest an den Stellen, die noch nicht grau geworden waren. Fast das ganze Gesicht zeigte die weißen Anzeichen vergangener Zeit und die Pupillen, umrandet von diesen dunkelbraunen Augen, waren blau.
Die Ohren gehörten einem Labrador und auch der Schwanz, der jedes Mal klopfte, wenn ich nähern kam. Der Körper war dünn und knochig. Keine Vorderzähne mehr. Die Reißzähne waren abgewetzt oder bis auf kleine Stummel abgebrochen und ganz hinten konnte ich drei Zähne sehen.
Ich wollte nicht nachsehen, ob der alte Hund ein Rüde oder eine Hündin war. War ja eigentlich ohnehin egal. Ich sagte dem alten Hund, dass ich ins Bett gehen würde und tätschelte seinen Kopf, was er wieder mit einem Schwanzklopfen erwiderte. Auf dem Weg ins Schlafzimmer fragte ich mich, wie um alles in der Welt der Hund zu unserer Farm gekommen war. Er kam durch die Wälder, die groß und unbewohnt waren.
Ich fragte mich auch warum ausgerechnet hier. Die Antwort war einfach. Die Hand Gottes hatte den alten Hund zum richtigen Ort gebracht.
Es ist jetzt morgens und ich bin seit ein paar Stunden auf. Die Schale mit der Brühe war leer und die Decke war so, wie ich sie verlassen hatte. Keine blutigen Pfotenabdrücke auf dem Teppich, nur auf der alten Decke. Kurz nachdem ich zu Bett gegangen war, hatte der alte Hund die Hühnerbrühe aufgeschlabbert und die Schale saubergeleckt. Die Decke war leicht aufgeworfen und der alte Hund hatte sich zu einem fest Ball zusammengerollt, die Nase unter den Schwanz gesteckt. Als ich mich bückte, um guten Morgen zu sagen, antwortete kein Schwanzklopfen mehr. Ich wusste, dass der alter Hund in der Nacht über die Regenbogenbrücke gegangen war.
Kniend vor dem alten Hund, dankte ich Gott für die alte Decke die übriggeblieben war und für die Hände, die den Hund zur Regenbogen-Farm geleitet hatten. In dem Moment fiel mir das Gedicht ein, dass Walt für uns geschrieben hatte:
"Hör die Freundlichkeit, sanfte Worte,
verloren oft hinter Tränen
Leg deine Hand auf meine Schulter
lass sie meine Ängste nehmen."
Verstoßen ^
Verstoßen! Ich begreif' das nicht -
wie konnte das geschehen?
Und denk' ich noch so lange nach,
ich werd' es nie versteh'n.
Die Welt ist doch so schrecklich groß
und ich so winzig klein -
wieso soll denn gerad' für mich
kein Platz zu finden sein?
Alleingelassen ^
So alleine, kleiner Welpe,
auf der Blumenwiese hier?
Mit erstaunten großen Augen
schaust du fragend auf zu mir.
Hier entlang wollt' ich nicht gehen -
Hat dich jemand hier vergessen,
dich mit Absicht hergetragen?
Wie lang bist du wohl hier gesessen?
Die Sonne wird bald untergeh'n-
komm, komm mit nach Haus zu mir,
denn du mußt sehr hungrig sein,
und zu trinken geb' ich dir.
Alle Kleinen brauchen Liebe,
ganz bestimmt ein kleiner Hund.
Und daß ich dich finden konnte,
war für diesen Weg der Grund!
Sie betreten unsere Welt ^
Sie betreten unsere Welt, naß, wackelig und warm
und kennen das Leben nicht, das sie erwartet.
Sie kämpfen um Atem, Futter und Wachstum,
um der Liebling eines stolzen und liebenden Menschen zu werden.
Die Glücklichen finden eine Familie, die ihnen Liebe schenkt;
Die Kranken verlassen uns mit einem Seufzen.
Die Ungewollten werden ausgesetzt, naß und zitternd,
ohne einen liebenden Besitzer, der ihr Jaulen hört.
Hier ein paar Gedanken zum Entstehen dieses Welpen:
Wieviel wirst Du für ihn tun und sorgen ?
Bist Du bereit, diese Seele zu lieben, zu ehren und zu pflegen ?
Bis zu seinem letzten Tag ?
Wenn Du diese süßen Welpen züchtest, um die Linie zu verbessern,
wirst Du ihnen beistehen, auch wenn sie krank sind ?
wenn sie verkauft sind und dann nicht mehr gewollt und zu Dir zurückgebracht werden,
bist Du bereit, sie hereinzulassen ?
Sei liebevoll, fürsorglich und verantwortungsvoll genug, um ihnen
ein Zuhause und Dein Herz wieder zu schenken.
Denn du bist es, der sie auf ihre Reise geschickt hat,
Ja, Du bist es, der ihnen den Anfang gegeben hat.
Bitte gib ihnen ein Ende, wie der Anfang, den sie hatten,
und denke daran, tief in ihrem Inneren stecken liebende Seelen.
Ja, gib ihnen ihr Ende, wie Du ihnen ihren Anfang gegeben hast,
gefüllt mit LIEBE, BEWUNDERUNG und STOLZ.